20.01.2022
Eine nur einmal im Leben mögliche Steuervergünstigung wie der ermäßigte Durchschnittssteuersatz auf Veräußerungsgewinne kann dadurch bereits verbraucht sein, dass das Finanzamt in einem früheren Jahr die Steuervergünstigung rechtswidrig und ohne Antrag des Steuerpflichtigen gewährt hat. Zu einem Verbrauch kommt es nur dann nicht, wenn die damalige Steuerbegünstigung für den Steuerpflichtigen aufgrund ihrer geringen Höhe und wegen eines fehlenden Hinweises des Finanzamts nicht erkennbar war.
Hintergrund: Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils werden begünstigt besteuert. So gibt es z.B. eine sog. Fünftelregelung, bei der der Steuersatz geglättet wird, oder alternativ auf Antrag die Gewährung eines ermäßigten Durchschnittssteuersatzes, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder berufsunfähig ist. Der ermäßigte Durchschnittssteuersatz wird aber nur einmal im Leben gewährt.
Sachverhalt: Der 55 Jahre alte Kläger war an einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis beteiligt. Im Jahr 2006 leistete die Kassenärztliche Vereinigung Nachzahlungen, die dem Kläger anteilig zugerechnet wurden. Dem Finanzamt des Klägers unterlief jedoch ein Fehler, indem es für diese Nachzahlungen den ermäßigten Durchschnittssteuersatz für Veräußerungsgewinne gewährte, obwohl es sich nicht um Veräußerungsgewinne handelte und der Kläger keinen Antrag gestellt hatte. Dies führte für das Jahr 2006 zu einer Steuerminderung von ca. 8.000 €, die der Steuerberater des Klägers bemerkte, aber nicht beanstandete. Im Streitjahr 2016 veräußerte der Kläger seinen Anteil an der Gemeinschaftspraxis und stellte den Antrag auf Gewährung des ermäßigten Durchschnittssteuersatzes. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, weil der ermäßigte Durchschnittssteuersatz nur einmal im Leben gewährt wird und dies bereits 2006 der Fall gewesen ist.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Hinweise: Um den Verbrauch der Steuervergünstigung zu verhindern, hätte der Kläger gegen den Steuerbescheid 2006 Einspruch einlegen und sich gegen die damals zu Unrecht gewährte Steuervergünstigung wehren müssen. Der Kläger hätte dann zwar für 2006 eine höhere Steuer zahlen müssen, nämlich ca. 8.000 €, hätte dafür aber den ermäßigten Durchschnittssteuersatz im Jahr 2016 beantragen können.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn die damalige Gewährung des ermäßigten Durchschnittssteuersatzes für den Kläger nicht erkennbar war, weil sie sich nur in geringer Höhe ausgewirkt hatte und das Finanzamt auf den ermäßigten Durchschnittssteuersatz nicht hingewiesen hatte. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall jedoch nicht vor.
Quelle: BFH, Urteil v. 28.9.2021 - VIII R 2/19; NWB
Hinweis: Dieser Artikel ist vom 20.01.2022. Bitte achten Sie darauf, dass Informationen zu der genannten Thematik
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